Von X Ehemalige VBU-Partner auf Mittwoch, 06. März 2019
Kategorie: Marketing und Vertrieb

Brexit: Wie aus einer Bedrohungslage neue Geschäftsmodelle entstehen

Der Brexit kommt, ob wir wollen oder nicht! Aus meiner Sicht ist ein zweites Referendum, mit dem Ziel "Brexit-Exit", sehr unwahrscheinlich. Wenn Großbritannien aus der EU-ausschert, sind die Folgen dieser Entwicklung für den deutschen Mittelstand längst erkennbar. Aber das muss nicht nur bedrohlich sein.

Erweiterung des Geschäftsmodells: Option Windmühle

Nur noch jedes fünfte deutsche Unternehmen bewertet seine Handelsbeziehungen mit Großbritannien angesichts des drohenden Brexit als gut: Das hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag in seiner aktuellen Umfrage herausgefunden. Ich sehe solchen Pessimismus nicht als handlungsleitend. Ich sehe in problematischen Situationen eher die Chance für neue Ideen, in Anlehnung an ein überliefertes Bonmot: "Wenn der Sturm kommt, kann man Hecken anpflanzen oder Windmühlen aufstellen". Ich bin für die Windmühlen. Sie wandeln Kräfte in nutzbare Energie um. Bei allen Risiken durch den Brexit bestehen auch Chancen für unsere Unternehmen. Wer als Unternehmer jetzt die Gunst der Stunde nutzt, kann die Risiken aus dem Brexit abfedern oder (noch viel besser) sogar sein Geschäftsmodell erweitern.

Strategisches Denken ist die Basis 

Ich begleite seit einiger Zeit ein Handelsunternehmen, das bislang Waren aus Großbritannien bezieht. Der britische Lieferant wiederum hat wesentliche Absatzmärkte in der EU. Beide Vertragspartner sind gut beraten, jetzt Lösungen zu entwickeln, ehe sie dazu gezwungen sind. Gemeinsam haben wir jetzt eine Strategie entwickelt. Jede Strategie fußt auf den Modulen von

  1. Analyse: Eine Situation wird aus vielen Perspektiven heraus betrachtet, ohne sich gleich ein Urteil darüber zu bilden
  2. Entwicklung von Handlungsoptionen und
  3. der Wahl der, für diese Situation am besten passenden, Vorgehensweise.

Unsere Lösung summarisch zusammengefasst: Der deutsche Händler wird für seinen britischen Lieferanten dessen Lieferlogistik in EU-Länder als Dienstleistung übernehmen und so auch seine eigene Belieferung stabil halten. So haben wir (mein Mandant und ich) nicht nur dessen eigenes Problem gelöst, sondern zugleich das des britischen Zwischenhändlers, was seine Lieferungen in die EU angeht.

Lösung im Detail: Zielort ändern, neue Firma gründen

Zurück zu unserem Fall: Die Analyse ergab folgende Situation: Der britische Lieferant bezieht die von ihm gelieferten Waren aus Fernost. Der Hersteller dort verschifft die Ladung auf Containern mit Ziel Großbritannien. Der britische Zwischenhändler hat in der EU natürlich nicht nur das von mir betreute Handelsunternehmen als Kunden, sondern einen veritablen Kundenstamm. Alle diese Abnehmer befürchten nun Zollauflagen, steuerliche Nachteile etc. 

Ein Schiff wird kommen - nach Hamburg

Oft liegen Lösungen so nahe, dass wir sie nicht erkennen. Das deutsche Handelsunternehmen und ich haben eine Einigung mit dem britischen Zwischenhändler erzielt, dass für die Lieferungen aus Fernost der Zielhafen künftig Hamburg sein wird. Für alle Waren, die der Brite aus Fernost bezieht. Und damit sind wir beim zweiten Gedankenschritt: Mein Mandant, das deutsche Handelsunternehmen, wird sein Geschäftsmodell derart erweitern, dass es mit dem Briten eine neue gemeinsame Firma gründet. Diese Firma steuert nun den Weiterversand an die Abnehmer des britischen Zwischenhändlers. Mein Mandant übernimmt die gesamte Logistik, ein taugliches IT-System ist bereits vorhanden, Lagerräume sind in der Auswahl. Der britische Zwischenhändler zahlt meinem Mandanten eine Managementgebühr. 

Im Fokus der VBU-Partner: Was ist möglich?

Summa summarum. Mit einer Idee bzw. einem neuen, erweiterten Geschäftsmodell sind potentielle Probleme gleich für zahlreiche Beteiligte gelöst: für meinen Mandanten, für den britischen Zwischenhändler als auch für dessen EU-Kunden.

Aus meiner Sicht zeigt dieses Beispiel: Es kommt weniger darauf an, sämtliche Feinheiten des Brexit zu kennen (dafür gibt es wiederum Experten, wie Studien zeigen), sondern zu erkennen, welche Konsequenzen für das Einzelunternehmen damit einhergehen. Und hier steht nicht im Vordergrund, was alles nicht geht (wobei auch das zu einer fundierten Strategie gehört), sondern der Fokus auf das, was möglich ist. Mein unternehmerisches Motto: "Ein erkanntes Risiko ist kein Risiko mehr, weil ich jetzt Handlungsoptionen nutzen kann".

Unsere Experten vom VBU stehen Ihnen mit unseren weitgefächerten Expertisen gern zur Seite.

Autor: Tilman Hartenfels

Co-Autorin: Katharina Daniels, Kommunikationsberaterin & Publizistin

Copyright genehmigt: Fotolia #92499322, Robert Kneschke



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